Forschungsschwerpunkte des Instituts
Am Institut für Umweltsystemwissenschaften wird für die Zukunft geforscht. Der Fokus liegt dabei auf Systemforschung mit einem Schwerpunkt auf Methodenentwicklung, Innovations- und Transitionsforschung mit dem Schwerpunkt Innovationssysteme und Diffusion sowie Nachhaltigkeitsforschung mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeitsmanagement und -bewertung. Die Kernbereiche der Forschung spiegeln sich in konkreten Forschungsfeldern wider.
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Der Mensch im Übergang zur Nachhaltigkeit
Nachhaltige Gesellschaften lassen sich nicht allein durch technologische Innovationen erreichen. Der Übergang muss Bürger, Verbraucher, Haushalte und Entscheidungsträger einbeziehen, und zwar über die Bewusstseinsbildung und die Bereitstellung von Informationen über Nachhaltigkeit und Klimawandel hinaus. Wir versuchen die Entscheidungsprozesse von Bürgern, Verbrauchern und Organisationen zu verstehen und die notwendigen Voraussetzungen für ein nachhaltiges Leben zu ermitteln. Wir untersuchen auch potenziell negative Nebenwirkungen von Übergängen und Faktoren, die mit der Akzeptanz von Nachhaltigkeitsübergängen in verschiedenen (auch gefährdeten) Gruppen der Gesellschaft zusammenhängen. Dazu gehört auch eine zweiseitige Perspektive, welche die Produktions- und Konsummuster, aber auch das Handeln der Bürger auf allen Ebenen ihres Lebens einschließt.
Nachhaltige Energie- und Mobilitätswende
Sowohl der Energiesektor als auch der eng damit verbundene Mobilitätssektor sind besonders wichtige Bereiche für die Förderung der Nachhaltigkeit und insbesondere für die Eindämmung des Klimawandels. Die Umstellung von Energie- und Verkehrssystemen - die auf fossilen Brennstoffen basieren - auf erneuerbare Energiequellen und Antriebsformen ist dringend erforderlich. Im Zusammenhang mit der breiteren Nachhaltigkeitsdebatte wurde jedoch die starke Konzentration auf die Förderung (angebotsseitiger) technologischer Innovationen kritisiert. Wissenschaftler haben zunehmend die Rolle von Verhaltensänderungen auf der Nachfrageseite als notwendigen Bestandteil der geforderten Nachhaltigkeit und emissionsarmen Lösungen erkannt.
Daher berücksichtigen wir in unserer Arbeit beide Perspektiven und integrieren explizit den relevanten Aspekt der Verhaltensänderung, indem wir verschiedene Rollen wie Verbraucher, Bürger, politische Entscheidungsträger, Industrie usw. in enger Verbindung mit dem oben skizzierten Forschungsfeld "Menschen in Nachhaltigkeitsübergängen" behandeln. Dies umfasst sowohl selbstgesteuerte als auch politisch motivierte Verhaltensänderungen, aber auch die öffentliche Akzeptanz relevanter politischer Maßnahmen oder emissionsarmer Technologien sowie von Innovationen im Kontext von Energie und Mobilität.
Kreislaufwirtschaft
Die Kreislaufwirtschaft (Circular Economy, CE) ist ein aufstrebendes Thema, das die Bedeutung des intelligenten Designs, der Herstellung, des Vertriebs, der Nutzung und des End-of-Life-Managements von Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Produkten und Dienstleistungen hervorhebt. Der "Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft" der Europäischen Kommission unterstreicht die Bedeutung dieser Elemente für die Kreislaufwirtschaft und unterstützt den "European Green Deal". Letzterer setzt ehrgeizige Ziele, die bis 2050 erreicht werden sollen, wie etwa die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch. In den letzten Jahren hat sich CE zu einem starken Forschungs- und Lehrschwerpunkt innerhalb des Instituts entwickelt, der sich in der Anwendung von zirkulären Geschäftsmodellen oder der Entwicklung von Methoden und Konzepten zur Erhebung von Umwelt- und Sozialdaten für bestimmte Produkte und Dienstleistungen widerspiegelt. Ein Beispiel für unsere Lehrtätigkeit ist die Koordinierung eines internationalen Masterstudiengangs zu CE. Die CE-Forschungs- und Lehrtätigkeiten des Instituts beschränken sich nicht auf die industrielle Ebene, sondern beziehen die gesellschaftliche Ebene insgesamt mit ein, einschließlich der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.
Bioökonomie - Biobasierte Wirtschaft
Bei dem Begriff Bioökonomie handelt es sich um ein bekanntes politisch-ökonomisches Konzept für nachhaltige Entwicklung. In unterschiedlicher Interpretation umfasst das Konzept so unterschiedliche Aspekte wie z.B. die Substitution fossiler Ressourcen durch biobasierte Materialien, die Stärkung biobasierter Sektoren und die zukünftige Rolle von Life-Science-Innovationen bis hin zu einer radikalen Neuausrichtung der Wirtschaft unter Berücksichtigung der begrenzten Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen (siehe Georgescu-Roegen). Die relevanten Ursachen, Dynamiken und Folgen der zunehmenden Nutzung von Biomasse und biobasierten Innovationen stehen im Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten des Instituts. Die Forscher, die in diesem Bereich arbeiten, stellen sich insbesondere Fragen wie:
Welche umfassenderen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen hat der verstärkte Einsatz von biobasierten Technologien? Sind biobasierte Ersatzstoffe nachhaltiger (z.B. Treibhausgasemissionen) als der Status quo? Welche Übergangspfade ermöglichen die nachhaltigste Nutzung biobasierter Materialien? Und wie kann die Kluft zwischen technischer Reife und praktischer Umsetzung überwunden werden?
Komplexe Netzwerke und Multi-Agenten-Systeme
Systemwissenschaftliche Forscher haben viele Methoden entwickelt, die sich für die Simulation komplexer Systeme im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung und verwandter Gebiete eignen. Das Institut hat in diesem Zusammenhang die Entwicklung und Anwendung von agentenbasierten Modellen unterstützt, d.h. Modelle, die von einzelnen Komponenten ausgehen und deren Interaktionen untereinander und mit ihrer Umwelt beschreiben. Diese Form der Modellierung kann nicht nur bei der Beschreibung aller Arten von menschlichen Systemen wie Meinungsdynamik, Arbeitsmarkt oder Mobilitätssystemen erfolgreich eingesetzt werden, sondern auch darüber hinaus.
In Ergänzung zur Systemwissenschaft werden netzwerkwissenschaftliche Methoden zur Beschreibung von Systemen eingesetzt, bei denen die Verbindungen zwischen den Komponenten wichtiger sind als die Komponenten selbst. Beispiele für solche Systeme sind Verkehrsnetze oder soziale Netze.
Darüber hinaus können verschiedene Modellierungsmethoden kombiniert werden, um ein vollständigeres Bild der untersuchten Systeme zu erhalten.
Datenwissenschaft und künstliche Intelligenz
Um die meisten der vom Institut untersuchten Systeme zu verstehen, sind große Datenmengen erforderlich. Daher können Ansätze aus dem Bereich der Datenwissenschaft die Systemwissenschaften unterstützen. Dazu gehören die Datensammlung durch Text Mining sowie die Verarbeitung und Interpretation der Daten durch Techniken wie Topic Modelling oder Sentiment Analysis. Die gesammelten Daten werden auch in bestehende oder neu entwickelte Modelle integriert.
Darüber hinaus werden auch andere Methoden des maschinellen Lernens und Techniken der künstlichen Intelligenz eingesetzt und weiterentwickelt. Dazu gehört der Einsatz von künstlichen neuronalen Netzen zur Lösung verschiedener Klassifizierungs- oder Regressionsprobleme. Solche Methoden werden nicht nur zur Verarbeitung und Interpretation von Daten eingesetzt, sondern können auch zur Verbesserung von Computersimulationen oder zur Entwicklung von Modellen verwendet werden, die ohne KI-Unterstützung nicht möglich wären.
Nachhaltigkeit auf Unternehmens- und Produktebene
Forscher, die in diesem Forschungsbereich tätig sind, bemühen sich, die Verbreitung und Anwendung der nachhaltigen Entwicklung zu unterstützen, indem sie diese in die Aktivitäten, Strategien, Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen integrieren und gleichzeitig die Folgen einer solchen Integration aufzeigen. Dies bedeutet, dass Forschung betrieben wird, um zu untersuchen, wie nachhaltige Entwicklung auf der Unternehmensebene operationalisiert wird (d.h. Konzepte und Rahmen für das Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen), wie wir Unternehmen motivieren können, (nachhaltiger) zu handeln, Nachhaltigkeitsstrategien und nachhaltige Geschäftsmodelle anzuwenden, nachhaltige Innovationen zu unterstützen, eine Nachhaltigkeitsbewertung durchzuführen, Nachhaltigkeitsdesign zu nutzen und interorganisationales Management in Bezug auf nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Die folgenden Forschungsthemen werden behandelt:
- Nachhaltigkeitsmanagement und -strategien von Unternehmen
- Nachhaltige Geschäftsmodelle und Innovationen
- Nachhaltigkeits- und Lebenszyklusbewertung von Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen
- Nachhaltiges Produktmanagement und -design
- Nachhaltiges Lieferkettenmanagement
- Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Forschung zur Resilienz
Die Forschung zur Resilienz bezieht sich vor allem auf Methoden zur Analyse und Vorhersage von Phasenübergängen in komplexen dynamischen Systemen, sogenannten kritischen Übergängen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der computergestützten Modellierung, die die Möglichkeit bietet, Komponenteninteraktionen - d.h. die eigentliche Ursache für das Verhalten bestimmter Systeme - detailliert abzubilden. Zusätzlich werden Netzwerkdarstellungen betrachtet, um systemrelevante Wechselwirkungen analytisch zu erfassen. Dies ermöglicht es einerseits, die Resilienz durch systematische Störung bestimmter Parameter in computergestützten Systemmodellen zu testen. Andererseits werden verschiedene statistische Metriken, die unter dem Begriff Frühwarnsignale zusammengefasst werden, verwendet, um Einblicke in die Robustheit und Stabilität einer großen Anzahl verschiedener Systeme zu gewinnen.
Wir wenden die Idee der Resilienz und die entsprechenden Forschungskonzepte auch auf einer angewandten Ebene an und versuchen, Organisationen aller Art dabei zu unterstützen, ihre Fähigkeit zu stärken, Herausforderungen zu antizipieren, ihnen zu widerstehen, sie zu bewältigen und sogar zu überleben. In diesem Zusammenhang ist Resilienz ein impliziter Bestandteil vieler unserer Forschungsprojekte.
Digitalisierung
Die Forschung zu den Möglichkeiten und Folgen der Digitalisierung bezieht sich zum einen auf den Zugang und die Verarbeitung von Daten, die u.a. dazu genutzt werden können, Erkenntnisse über Regelmäßigkeiten umweltrelevanter menschlicher Entscheidungen und Verhaltensweisen oder über die Besonderheiten bestimmter Geschäftsaktivitäten oder Produktionsbesonderheiten zu gewinnen. Mit anderen Worten, dieser Zweig befasst sich mit Data und Text Mining. Andererseits befassen sich die Systemwissenschaften auch mit dem Einsatz, der Erforschung und der Entwicklung von Analysemethoden, die derzeit unter dem Stichwort maschinelles Lernen diskutiert werden. Ein Schwerpunkt liegt hier zum Beispiel auf dem modellbasierten Screening großer Möglichkeitsräume und der Antizipation zukunftsfähiger Optionen, zusammengefasst unter dem Begriff Future State Maximization.
Darüber hinaus sind die Systemwissenschaften am Forschungsverbund "Human Factor in Digital Transformation" beteiligt, in dem digitale Entwicklungen im Kontext ihrer Bedeutung für den Menschen geprüft und untersucht werden.
Die Digitalisierung geht auch über den Datenzugriff und die Datenverarbeitung hinaus und umfasst auch neu entstehende Technologien und deren gesellschaftliche Implikationen.